Interview mit Muharrem Çobo

Von Christian Hadorn, Vorstand Gesellschaft Schweiz-Albanien

Muharrem Çobo an der Degustation von Alvinum in Bern, Mai 2016

Muharrem Çobo an der Degustation von Alvinum in Bern, Mai 2016

In den schicken Ausstellungsräumen der „ISP Küchen“ in Gümligen bei Bern bereiten emsige Hände exquisite Vorspeisen zu. Schliesslich gilt es, den ersten offiziellen Auftritt dieser speziellen Weine in der Schweiz entsprechend zu würdigen. Während diese erste Liga der albanischen Weine in Albanien schon längst in aller Munde ist, ist sie in Gümligen und der übrigen Schweiz – wie der Rest der albanischen Weine – noch völlig unbekannt. Wie verabredet trifft auch der Produzent dieser Weine, Muharrem Çobo, pünktlich ein und betritt die fremden Räume mit einer selbstbewussten Selbstverständlichkeit. Man könnte denken: ein italienischer Anwalt, so gediegen elegant zeigt sich Çobo – tatsächlich studierte Çobo in Italien Jura –, doch schnell wird klar: hier steht ein Unternehmer, der sich auskennt in der Welt.

Der Weinproduzent aus dem südalbanischen Berat spricht denn auch in fliessendem Italienisch und Englisch und in geübter Manier sogleich von seinen Produkten, mit denen ihn, wie sich herausstellen wird, mehr verbindet als nur eine Verkaufsbeziehung:

Kellerei Çobo

Kellerei Çobo

Christian Hadorn: Wie würden Sie Ihre Weine beschreiben?

Muharrem Çobo: Unsere Weine sind praktisch bio, da wir selbst die Weinstöcke bewusst möglichst wenig spritzen und die Trauben, die wir dazukaufen, aus Kostengründen kaum von den Bauern behandelt werden. Unsere Philosophie ist, das Maximum aus der Weintraube herauszuholen, d.h. in der Verarbeitung in der Kellerei so wenig wie möglich zu intervenieren. Das führt dazu, dass unsere Weine vielleicht im ersten Augenblick nicht zu einem „Wow“ führen, doch dann stellt man mit der Zeit fest, dass man sie schätzen gelernt hat.

Wie war Ihre Erfahrung mit der Einführung Ihrer Qualitätsweine auf dem albanischen Markt?

Çobo: Wir waren die ersten in Albanien, die ein neues Konzept eingeführt haben, sei es in Bezug auf die Weinproduktion selbst, sei es, was die Preise betrifft. Unsere Weine waren von Anfang an wesentlich teurer als die anderen albanischen Weine. Es war wie eine Schlacht, die wir allmählich dabei sind zu gewinnen, eine Schlacht nämlich, in der es darum geht, die Restaurantbetreiber davon zu überzeugen, dass es nicht nur Italiener und Franzosen sind, die gute Weine herstellen können, sondern auch Albaner. Die Technik haben wir mittlerweile, und vielleicht kann man sogar sagen, dass wir die denkbar besten Bedingungen haben: viel Sonne, mineralreiche Erde und auch Regen. Es ist nicht wie in Kalifornien, es regnet auch in einer Menge, die für den Weinbau notwendig ist.

Weinstock mit Vlosh-Trauben

Weinstock mit Vlosh-Trauben

Welche Weinsorten produzieren Sie?

Çobo: Wir sind gesegnet mit autochthonen Weintraubensorten. In Albanien gibt es mindestens zehn autochthone Arten.

Çobo produziert fast ausschliesslich mit autochthonen Traubensorten: „Shesh i bardhe“, „Shesh i zi“, „Puls“, „Vlosh“.

Im Kommunismus existierte eine Trauben- und Weinproduktion mit autochthonen Sorten, auf deren Quantität wir heute noch nicht kommen. Es waren vorallem Shesh i bardhe und Shesh i zi, deren grosszügige Frucht man sowohl als Tafeltrauben als auch als Weintrauben verwendete. Die Trauben des Shesh i zi sind zwar etwas gross, doch mit einer rigorosen Selektion erhält man auch aus ihm einen optimalen Wein. Die Leute fragen dann häufig: „Ist das wirklich Shesh i zi?“. Letztes Jahr hatten wir eine Produktion von 100.000 Flaschen. Der Kashmer – eine Wortkreation aus Kabernet, Shesh, Merlot – ist dagegen ein moderneres Produkt und wird immer im Barrique ausgebaut. Er besteht aus 70 % Shesh i zi, dann aus Merlot und Cabernet Sauvignon. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, aber ich glaube mit der Erfindung des Namens ist mir auch die Mischung eingefallen. Wir haben mithilfe eines Klonverfahrens auch eine neue Sorte von ursprünglich autochthonen Vlosh-Weinstöcken kreiert, die gute Resultate verspricht. Wir haben vom Staat 35 Hektar Land übernommen, auf dem wir die Vlosh-Sorte weiter vermehren. Auf einem anderen, kleineren und ausgezeichneten Stück Land haben wir im letzten Jahr pro Weinstock nicht mehr als ein Kilo geerntet, um eine optimale Qualität zu haben

Çobos Augen blitzen beim Wort „Vlosh“ auf, und er zeigt mir Fotografien der neuen Plantagen mit „Babyvlosh“.

"Babyvlosh"

„Babyvlosh“

Die albanische Regierung bietet Finanzhilfen für Weinbauern, die auf autochthone Weinsorten setzen. Doch das ist es nicht, was mich antreibt. Mein Vater entdeckte nach dem Kommunismus eine andere Sorte von autochthonem Wein wieder, den sogenannten Puls, dessen Weinstöcke sich am Fusse unseres Bergs Tomorr um ein paar Eichenbäume rankten. Es gelang uns, einige Weinstöcke zu retten, wir pflanzten sie um und produzierten im Jahr 2003 1000 Flaschen. Das Resultat war optimal und wir pflanzten anschliessend Puls auf ca. zehn Hektar an. Vielleicht ist es uns zu verdanken, dass diese Weintraube heute noch existiert. Ganz neu ist unser Projekt, aus der Puls-Sorte Champagner zu produzieren. Für Weihnachten dieses Jahres haben wir ca. 1400 Flaschen hergestellt. Champagner und Prosecco sind als Label geschützt, sodass wir eine albanische Bezeichnung dafür finden mussten, die auch im Ausland funktioniert

Çobo verrät die Bezeichnung nicht und schmunzelt.

Nur soviel sei verraten: Es ist der Name der Tochter eines Freundes. Wir verwenden meistens Inox-Tanks, für den Kashmer haben wir aber Barrique-Fässer, ebenso für den Kuqja e Beratit, der aus der Vlosh-Traube gewonnen wird. Dieser Wein, unserer teuerster, zeichnet sich durch ein besonders tiefes Rot aus. Wir wollten mit der Etikette auf der Flasche dieser Farbe huldigen und haben mit ihr eine Parallele zum Rot unseres berühmten Fresken- und Ikonenmalers Onufri gezogen. So gelangte schliesslich Onufris „Geburt des Christus“ auf die Etikette.

Çobo brachte diesen Wein aus Albanien mit, da er in der Schweiz leider noch nicht erhältlich ist, Preis in Albanien: 30 €.

Die verwilderte Weinsorte "Puls" um einen Eichenbaum geschlungen, am Fusse des Bergs Tomorr

Die verwilderte Weinsorte „Puls“ um einen Eichenbaum geschlungen, am Fusse des Bergs Tomorr

Abgesehen von der Verwendung von autochthonen Weintrauben: was ist Ihnen bei Ihren Weinen besonders wichtig?

Çobo: Für mich gilt es immer, zwei Aspekte beim Wein zu berücksichtigen: den Aspekt des Geschmacks und denjenigen des Effekts. Uns ist es wichtig, dem Wein nichts Unnötiges hinzuzusetzen. Einerseits geht es uns um den Geschmack des Weins, anderseits aber auch darum, ein natürliches Produkt zu erhalten, das gut verträglich ist.

Sind wir in Albanien noch in der Phase des Wachstums oder schon in der Phase der qualitativen Verfeinerung? Wie sehen Sie das Verhältnis von Quantität und Qualität in ihrer Produktion?

Çobo: Man kann noch wachsen. Heute sind wir laut statistischem Amt bei 11.000 Hektar Weinreben. Das ist noch wenig für Albanien. Zur Zeit des Kommunismus waren wir bei 20.000 Hektar. Viele Weinberge sind sehr klein, auch kleiner als ein Hektar. Ein Kollege von mir pachtet auch. Man muss noch wachsen. Damit das möglich wird, müssen wir aber in Albanien den Binnenmarkt noch puschen und klar machen, dass es besser ist, das Geld für albanischen Wein auszugeben als für ausländischen. Das stetige Wachstum im Tourismusbereich ist für uns besonders wichtig, denn die Touristen, die in unser Land kommen, wollen wie üblich Wein aus dem Land trinken, das sie besuchen. Wir waren die ersten, die eine Weintour anboten. Wir hatten letztes Jahr ungefähr 4800 Besucher, vorallem Deutsche, aber auch Schweizer und Franzosen. In vielen Tourismusführern wird unsere Kantina als Empfehlung aufgeführt. Im letzten Jahr haben wir 80 % im Inland verkauft und 20 % über den Export. Zum Export zähle ich auch die Verkäufe an Touristen, die unsere Produktionsstätte besuchen und den Wein in ihr Land mitnehmen. – Aber natürlich ist die Qualität unseres Weines zentral. Dazu kommt, dass eine Qualitätskontrolle nicht ausreicht. Wenn der Kunde einen Wein trinkt, dass heisst einen Wein, der auch einen gewissen Preis hat, dann möchte er sich auch an einem gewissen internationalen Echo, an Medien oder internationale Preise orientieren. Sowieso bin ich für die Öffnung des Markts. Wir orientieren uns eher international, da ist auch unsere eigentliche Konkurrenz, denn die meisten inländischen Produzenten bewegen sich natürlich auf einem anderen Markt. Es braucht Zeit. Es ist auch eine Sache des Geschmacks und des Vertrauens. Wein ist etwas Nobles, er ist verbunden mit einem Image. Das sind keine Kartoffeln oder Tomaten. Und das Image Albaniens war, wir wir wissen, international nicht das beste. Es ändert sich langsam, aber daran müssen wir noch arbeiten.

Wie sehen Sie die Zukunft für den albanischen Wein im Allgemeinen und für Ihren im Speziellen? Haben Sie eine Vision?

Çobo: Meine Vision für den albanischen Wein und unsere Weinproduktion leitet sich ab von unseren bereits erwähnten Qualitätsstandards. Sicherlich geht es uns auch um ein sicheres und stabiles Wachstum. Ebenso wichtig wird der respektvolle Umgang mit der Natur und ihren Produkten sein. Die neuen Weinproduzenten, die in den letzten Jahren begonnen haben, sehen dies sehr ähnlich. Aber sicherlich ist es nicht einfach. Nicht viele können, so aus dem Stand heraus, quasi von der Strasse weg, eine Qualitätsproduktion auf die Beine stellen …

Çobo öffnet zuerst eine Flasche „E Bardha e Beratit“, den aussergewöhnlichen Weisswein aus der geretteten Puls-Traube. Dieser helle Weisswein mit seinem delikaten Aroma und seinem langen und kräftigen Abgang trinkt sich am besten nur leicht gekühlt. Fortan halten wir uns an Çobos Motto: „Ich sage immer wieder zu meinen Freunden: ‚Trinke einen guten Wein oder gar keinen’.“


Kantina Çobo
Ura Vajgurore
Berat, Albanien
EN: cobowineryonline.com
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In der Schweiz ist eine Auswahl von Çobo-Weinen im
Online-Verkauf bei Alvinum, Flamatt, erhältlich.
 alvinum.ch