Artikel publiziert am 7. Juni 2013 auf albinfo.ch
„Kosova entdecken und den Balkan verstehen“ hiessen zwei Podien, die albinfo.ch am 5. und 6. Juni in Moudon VD und Zürich organisierte: Diskutiert wurde über Kosovos touristisches Entwicklungspotential
Kosovo lässt sich nicht auf die gleiche Art als Tourismusdestination fördern wie Länder mit Meeresanstoss. Albanien etwa hat nebst der Küste auch Berge und grosse Seen, und kann sich touristisch leichter entwickeln als Kosovo.
„Doch bedeutet das nicht, nicht auch das touristische Potential Kosovas zu fördern versuchen. Beispielsweise können Reisen für Gruppen mit spezifischen Interessen im Kultur- und Naturtourismus gefördert werden.“
Das sagt Rolf Alther, Präsident der Gesellschaft Schweiz-Albanien, zu den Kapazitäten des kosovarischen Tourismus. Er ist ein ausgezeichneter Kenner des Tourismus in Albanien und Kosova.
Vier verschiedene Referenten eines Podiumsgesprächs unter dem Motto „Kosova entdecken und den Balkan verstehen“ – von albinfo.ch am Donnerstag in Zürich organisiert – stellten solche Angebote des Natur-, Kultur- und Wissenstourismus vor. Ein Podium zum gleichen Thema hatte einen Tag zuvor in der französischsprachigen Schweiz im waadtländischen Moudon stattgefunden.
In seinem reich mit Fotos illustrierten Beitrag führte Yves Fouque, französischer Fachmann für Naturtourismus, die Anwesenden auf einen Rundgang durch verschiedene, vor allem im Süden und Westen gelegene Berggebiete Kosovos.
Er zeigte dem Publikum Ansichten einer atemberaubenden Natur, wie man sie seiner Ansicht nach nirgends in den europäischen Alpen findet. Fouque lobte den Standard und die Dienstleistungen von Hotels und Berggasthäusern in Kosovo, und auch die kosovarische Küche.
Es seien nicht Luxushotels, sondern saubere und bequeme Ferienunterkünfte. Auch die Berggebiete selbst sind in Kosova, im Unterschied zu den bewohnten Orten, sauber. Im Allgemeinen sind sie noch nicht von einer massiven Touristeninvasion betroffen, betonte Fouque. Er sprach auch vom neuen Projekt zur Aufwertung des Bergtourismus, dem die Gebiete der Bjeshkët e Nemuna in Kosova, Albanien und Montenegro angehören.
Im Gegensatz zu Fouque, der sich vor allem auf die Berge konzentriert hatte, stieg der nächste Referent, Xhevdet Kallaba, auch in die Ebenen, die Städte und anderen bewohnten Gegenden in Kosovo hinunter. Er sprach über seine Erfahrungen mit dem spezifischen Wissens- und Naturtourismus. Kallaba bringt seit zwei Jahren Touristengruppen aus dem Kanton Aargau nach Kosovo. Die Gruppenreisenden stammen hauptsächlich aus den Berufsbereichen der Sozialarbeit und Pädagogik.
Die Reisenden wollen das Land kennenlernen, in dem ihre kosovarischen Schüler zur Welt kamen, sie wollen deren Bildungsumfeld bzw. dasjenige ihrer Familien besser kennenlernen. „Wenn sie Kosova sehen und in hautnahen Kontakt mit der Bevölkerung kommen, überwinden sie ihre bisherigen Vorurteile über Kosova“, sagte Xhevdet Kallaba unter anderem. Mit „seinen Touristen“ besucht Kallaba auch Schulen und Behörden und beschränkt sich nicht nur auf historische und natürliche Sehenswürdigkeiten.
Das an ein paar Orten existierende Projekt „Living Together with Positive Stories“ hatte zum Ziel, mittels positiver Erzählungen das in den Medien verbreitete negative Image Kosovos zu verändern.
Aleksandra Hiltmann als eine von vier Schweizerinnen, die an diesem Projekt teilnahmen, sprach auf dem Podium über ihre Erlebnisse in den Workcamps, die im Rahmen des Projekts in den letzten drei Jahren während der Sommerferien durchgeführt wurden, vor allem im Dorf Plemetin. Hier leben Roma, Albaner und Serben zusammen. Mit Fokus auf dem Leben der Roma machten die vier Schweizer Freiwilligen Interviews mit einer Anzahl von Plemetiner Jugendlichen.
Die Interviews und andere Reportagen brachten Aleksandra und ihre Kolleginnen in einem Buch heraus, das vom Zusammenleben der Ethnien in Kosova und den diesbezüglichen Schwierigkeiten und Herausforderungen handelt. Viele gute Eindrücke gewann Aleksandra von ihrem Aufenthalt in Kosova dank des spontanen, entspannten Lebens dort. „Auch in armen Verhältnissen und trotz hoher Arbeitslosigkeit finden sich dort mehr zwischenmenschliche Nähe und Wärme“, sagte Aleksandra Hiltmann, Studentin der Politik- und Medienwissenschaften, mit Bezug auf das Leben in den Romavierteln von Plemetin.
Das Projekt „Living Together with Positive Stories“ wird vom SCI (Internationaler Zivildienst) Schweiz und Gaia Kosovo unterstützt.
An der Diskussion nahm auch der Konsul der Republik Kosova in Zürich, Sali Sefa, teil, und er machte dem Publikum einige Angaben zu Kosova, vor allem aus seinem Bereich, dem konsularischen Dienst. Er betonte, dass für die Einreise nach Kosova nun für EU-Bürger aufgrund eines neuen Entscheids von letztem Monat eine Identitätskarte genügt. Visumsfrei ist die Einreise für Menschen aus 87 Ländern der Welt. Der Konsul beantwortete auch Fragen der Anwesenden zur Förderung des Tourismus durch die kosovarischen Behörden.
Wie von der Mehrheit der Referenten und Diskussionsteilnehmerinnen betont wurde, besteht nicht die Erwartung, dass der Tourismus die Probleme Kosovos löse. Doch seien Investitionen in den Tourismus im Gegensatz zu solchen in andere Wirtschaftszweige einfacher zu tätigen und wirkten sich schneller positiv aus. Und sie sollen dem Staat als Signal dienen, die nötigen Mechanismen für eine gezieltere Förderung des Tourismus zu schaffen, hiess es im Verlauf des Podiums.
Mit organisiert hatte das Podiumsgespräch Nderim Salihi, Marketingstudent in Lausanne; moderiert wurde der Abend von Sarah Gretler, Präsidentin des Vereins albinfo.ch.
Unterstützt wurde die Durchführung der Podiumsveranstaltung von „natures et cultures“, dem Rat der Albanerinnen und Albaner der Schweiz und Birra Peja.
Blerim Shabani